25. Februar 2020: 29. Verhandlungstag

Heute werden zwei Zeugen vernommen, die ebenfalls Mitglied der Chatgruppe waren. Beide Beteiligten widersprechen mit ihren heutigen Aussagen recht deutlich dem, was sie in der Chatgruppe gepostet haben. So muss einer der Zeugen wohl mit einem Verfahren wegen Falschaussage rechnen. Die Lebensgefährtin von Christopher Wei. Wird mangels Angaben des Angeklagten über dessen Lebenssituation befragt.

Florian K. ist erneut nicht erschienen. Es werden 200€ Strafe oder wahlweise zwei Tage Ersatzhaft verhängt, außerdem muss er die Kosten tragen, die durch sein Fernbleiben entstanden sind.

Der Antrag auf Ladung des ehemaligen BfV-Präsidents Maaßen wird vom Senat abgelehnt. Die Aussage von Meyer-Plath sei ausreichend und etwaige Fragen an Maaßen unerheblich.

Es folgt die Verlesung zweier früherer Gerichtsurteile. Bei einem Verfahren aus dem Jahr 2013 wurden fünf Personen beschuldigt, darunter auch Maximilian V., Christopher Wei. und Thommy F. Die Anklage lautete auf gefährliche, vorsätzliche Körperverletzung und Diebstahl. Christopher Wei. wurde freigesprochen und für Maximilian V. gab es zwei Jahre auf Bewährung. Gegen Tom Wo. liegt ein Strafbefehl vom 1. Oktober 2018 wegen unerlaubtem Waffenbesitz vor. Er hat einen Schlagring besessen und wurde zu 45 Tagessätzen á 10 € verurteilt.

Der erste Zeuge Peter W. berichtet, dass er einmal bei einer der „Pro Chemnitz“-Demonstrationen gewesen ist. Laut des Chats war er jedoch mindestens dreimal dort. Er bleibt aber bei seiner Aussage: Auf jeden Fall sei er einmal dort gewesen, aber nicht dreimal. Im Chat sei er wegen der Organisation einer gemeinsamen Anreise gewesen. Die besprochenen Zeiten seien aber für ihn nicht relevant gewesen, da er da immer noch gearbeitet habe. Auf den Demonstrationen habe er auch alte Bekannte aus der Schule / Berufsschule getroffen. Daniel H. habe gemeinsam mit ihm Tischler gelernt. Zur ersten Demo sei er mit seiner damaligen Freundin gefahren. Da hat er auch Maximilian V. getroffen und es könne sein, dass sie versucht haben, sich zu verabreden.

Zu den Namen „Vanessa“, „Van Helsing“ und „Günther Meyer“ könne er nichts sagen. Tom Wo. und Maximilian V. kenne er aus Burgstädt. Der Vorsitzende bemerkt, dass der Zeuge einer der Hauptprotagonisten in dem Chat „Bündnis zur Bewegung“ gewesen sei. Der Richter deutet außerdem an, dass er eine Falschaussage mache, wenn sich seine Aussagen mit den Chat-Aussagen deutlich widersprechen würden. Der Zeuge antwortet, dass er am 14. September 2018 nicht bei der Demonstration gewesen sei. Er habe wahrscheinlich gearbeitet. Danach sei er nicht mehr zu den Demonstrationen gegangen. Er habe auch mit niemanden über die Festnahmen gesprochen. Er wolle nichts davon wissen und habe sich distanziert. Falls er doch jemanden danach gefragt habe, dann wisse er das nicht mehr genau. Peter W. erklärt, er sei „schon immer gegen Gewalt“. Wie das mit seiner Aussage im Chat zusammenpasst, bleibt offen. Dort formuliert er etwa „Da hilft nur eins: Angriff!“ Einige seiner Sprachnachrichten werden im Anschluss an die Vernehmung verlesen.

Der zweite Zeuge Reik H. aus Lichtenau fragt als erstes, was passiert wenn er keine Aussage machen möchte. Der Vorsitzende klärt ihn über seine Aussagepflicht und über das Verhängen von Ordnungsgeld auf. Er antwortet, dass er so oder so nichts mehr wisse. Er sei bei den Demonstrationen immer zusammen mit seinem Vater René H. gewesen und habe sich sonst mit niemandem verabredet. Er sagt, dass er sich an den Chat „Bündnis zur Bewegung“ nicht erinnere. 

Als der Vorsitzende seine Handynummer aus der Chat Mitglieder Liste vorliest, fällt ihm ein, dass er in dem Chat gewesen sei. Er habe aber nur eine Person dort gekannt. Sein persönlicher Nickname sei „Günther Meyer“ gewesen. Er habe auf die Frage von Maximilian V.: „Warum fahren wir nicht geschlossen?“ geschrieben „Ich bin da!“, so ein Vorhalt. Reik H. erklärt, dass er „Max“ aus dem Chat nicht kenne. Er glaube, dass er am 14. September 2018 in Chemnitz gewesen sei. Der Vorsitzende macht deutlich, dass er keine Lust auf dieses Frage-und-Antwort-Spiel habe.

Reik H. berichtet nun, dass er sein Auto am 14. September 2018 bei dem Edeka in der Nähe des Omnibusbahnhofes abgestellt habe. Reik H. sagt, auch auf die Hinweise hin, dass es in dem Chat anders klingt, erneut, dass er alleine mit seinem Vater in Chemnitz gewesen sei und sich mit niemanden getroffen habe. Er kenne weder Maximilian V., „Vanessa“, „Van Helsing“, Tommy F. oder die anderen Angeklagten. In den Chat sei er „einfach so“ hinein gekommen, über andere, er wisse es nicht genau. Ein Vorhalt widerspricht dem, darin schreibt Reik H. als Antwort auf eine Frage von Maximilian V.: „…bei Edeka, wo wir uns getroffen haben.“ Reik H. sagt „Nein!“ und bleibt bei seiner vorherigen Aussage. Der Bundesanwalt weist ihn auf die Absurdität seiner Aussage hin und, dass er dadurch auch in den Fokus gerate. Einer der Rechtsanwälte schlägt einen Zeugenbeistand vor.

Der Vorsitzende fragt erneut, ob es etwas zu ergänzen gäbe. Der Zeuge verneint. Nach dem wiederholten Hinweis, dass es sich um eine Falschaussage handeln könne, wenn er geht, er aber jetzt seine Aussage straffrei widerrufen bzw. wiederholen könne, erklärt Reik H., dass er nichts ändern wolle. Er wird entlassen.

Die dritte Zeugin Heidi N. berichtet, dass sie Christopher Wei. schon seit langem flüchtig kenne, ihn im Februar 2018 dann richtig kennengelernt und schließlich ab Juni 2018 eine Beziehung mit ihm geführt habe. Weil er keine Aussage macht, soll sie Auskünfte über seine Lebensumstände geben. Die Zeugin sagt, dass sie selbst ein 12-jähriges Kind und Christopher Wei. eine 8-jährige Tochter habe. Sie wisse nicht, ob er schon einmal verheiratet gewesen ist. Die Mutter seiner Tochter ist Katharina Z., seine Tochter habe er regelmäßig gesehen, sie war alle 14 Tage für ein Wochenende bei ihm. Sie hätten eine gutes Verhältnis gehabt.

Christopher Wei. sei bei seiner Mutter aufgewachsen. Zu seinem Vater wolle er keinen Kontakt. Die Zeugin habe gehört, dass er eine eher schwierige Kindheit und Jugend hatte, könne dazu aber nichts näheres sagen. Sie wisse, dass er einen Schulabschluß hat, aber nicht welchen. Er habe seit ca. vier Jahren bei einem Teilezurichter gearbeitet und sei vorher bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt gewesen. Sie habe in den drei Monaten dann auch teilweise seinen Freundeskreis kennengelernt. Dort sei nicht viel über politische Meinungen gesprochen worden. Sie sagt, dass das in ihrer Beziehung keine große Rolle gespielt habe. Ihrer Ansicht nach, sei ihm das nicht so wichtig gewesen. Er habe in einem Verein Dart gespielt, wollte aber damit aufhören. Sie sagt, er sei kein Alkoholiker und habe in der Zeit der Beziehung auch weniger getrunken. 

Von den Angeklagten kenne sie sonst nur Tom Wo., des Namens wegen, die anderen nicht. Stacy P. sei ein engerer Freund von Christopher Wei., beide hätten viel Zeit an der Schrauberhalle verbracht.
Über Schulden wisse sie nichts, er habe nicht über Geldsorgen gesprochen. Er besitzt ein älteres Auto und ein Motorrad. Sie seien viel abends gemeinsam ausgegangen und auch zusammen in den Urlaub gefahren. Sie habe keine Veränderung an ihm in diesem Sommer bemerkt. Die Demonstrationen seien schon ein Thema gewesen und Christopher Wei. Sei auch bei der ersten gewesen. Besonders wichtig sei ihm das aber nicht gewesen.

Der Rechtsanwalt von Tom Wo. Stellt im Anschluß an die Vernehmung einen Aussetzungsantrag gestellt. Der Bundesgerichtshof solle entscheiden, ob der Paragraf 129 StGB grundgesetzkonform sei. Dafür sprächen mehrere Gründe. Beispielsweise gibt es keine Mittäterschaft, wenn es keine Abgrenzung zwischen Mitgliedern und Straftätern gibt. Bei einer Bande sei es außerdem so, dass die Mitgliedschaft zwar strafverschärfend ist, aber keine Straftat an sich. Des weiteren läge ein Verstoß gegen den Tatbegriff vor, da eine präventive Verurteilung im Strafrecht unzulässig ist. Unter anderem wird der Bundesanwalt Loose zitiert, der dazu auch Stellung nehmen wird. Weitere Rechtsanwälte schließen sich dem Antrag an.