Das Gericht verliest ein „Selbstanbieterschreiben“ des Angeklagten Christian K., mit dem er als V-Person beim LfV Sachsen anfangen wollte. Außerdem werden Extraktionsberichte mehrerer Telefone verlesen. Darin befinden sich auch Chats zum Demonstrationsgeschehen am 26. August 2018. Zwei Angeklagte berichten von den Ausschreitungen und rassistisch motivierten Angriffen.
Florian K. ist auch heute wieder nicht vor Gericht zur Zeugenvernehmung erschienen. Stattdessen beginnt der Verhandlungstag mit der Verlesung des Briefes von Christian K. an das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen (LfV) vom 2. Februar 2015.
In diesem Brief aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dresden bat Christian K. darum, „diesen Brief ernst zu nehmen.“ Weiter schreibt er: „Ich bin seit elf Jahren in der rechten Szene, aber seit sieben Jahren zu einem anderen Zweck.“ So behauptet Christian K. im Jahr 2015, dass er nur noch in der Szene sei um „Strukturen und Personen zu analysieren und zum Verfestigen von Kontakten und dem Gewinn von Vertrauen.“ Zu diesem Zweck habe er 2015 „Revolution Chemnitz“ gegründet. In seinem Brief bot er sich als Vertrauensperson an, damit „nicht wieder eine braune Terrorzelle wie der NSU entstehen kann.“
Als nächstes wird der Extraktionsbericht des Smartphones des Sven We. verlesen. Dieser zeigt, dass Sven We. schon länger mit dem Mitangeklagten Martin H. in Kontakt gestanden hat. Es folgt der Extraktionsbericht eines der Telefone des Angeklagten Marcel Wa., verlesen wird ein WhatsApp-Chat zwischen Marcel Wa. und „Harzer“. Dieser Chat stammt vom Nachmittag des 26. August 2018, dem ersten Tag der rechten Ausschreitungen in Chemnitz. Eingangs stellt Marcel Wa. die Frage: „Ist das echt der Daniel H., den es erwischt hat?“ Der Chatteilnehmer „Harzer“ antwortet: „Ja. Der Neger, den wir letztens noch beim Fidschi getroffen haben. Mit dem wir noch gequatscht haben.“ Weiter berichtet der „Harzer“: „Es geht jetzt schon übelst los. Hier laufen jetzt schon irgendwie 15 Gruppen rum mit 10 Leuten, teilweise von der ‚HU‘ angeführt. Es gibt hier jetzt übel aufs Maul. Überall stehen die Kanacken und die Bullen kommen nicht hinterher bei so viel Leuten, die hier herum rennen.“ Das „HU“, welches nur phonetisch festgehalten wurde, steht möglicherweise für das lokal oft verwendete Kürzel „Hoo“ für das Akronym „HooNaRa“ (Hooligans Nazis Rassisten).
Es folgt ein Chat zwischen den Angeklagten Christian K. und Marcel Wa. vom selben Tag. Hier wird klar, dass auch Christian K. Daniel H. gekannt hat. Marcel Wa. und Christian K. ergehen sich weiter im Schwärmen über Hetzjagden und „Kanacken schlachten“. Weiter geht es um einen Treffpunkt am 27. August 2018. An diesem Treffpunkt soll „Icke“ warten, der Chatname des Mitangeklagten Sven We. Ebenso sollen an diesem Treffpunkt, einem Edekamarkt, auch „die ganzen Thüringer, Dortmunder und so“ warten. Auf Nachfrage gibt Christian K. am Morgen des 28. August 2018 an: „Mir geht es gut, aber dem neu zugewanderten, den ich getroffen habe nicht mehr.“ Weiter gibt Christian K. an, dass er den „nächsten Samstag“ mit dem „Haupti“ plane.
Es folgt die Vernehmung der Zeugin Vanessa W. Sie erklärt, dass sie regelmäßig an den Demonstrationen von Pro Chemnitz und AfD teilgenommen habe – auch am 14. September 2018. Sie sagt weiter, dass der Angeklagte Maximilian V. an diesem Tag zu ihrer Reisegruppe gehört habe, am Abend aber in Chemnitz geblieben sei. Ebenso wie Thommy F., welcher am sogenannten „Probelauf“ auf der Schlossteichinsel teilgenommen habe. An Einzelheiten könne sich die Zeugin nicht mehr erinnern und wird wenig später entlassen.
Im Anschluss werden die Einträge aller Angeklagten im Bundeszentralregister (BSZ) verlesen. Dies dauert eine Weile. Bei den Angeklagten Tom Wo. und Sven We. wird verlesen, dass sie schon ein mal wegen Besitz und Führen einer verbotenen Waffe verurteilt wurden.
Danach stellt die Verteidigung des Martin H. einen Antrag auf Vorladung des ehemaligen Präsidenten des Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen. Diesem Antrag schließen sich ausnahmslos alle anderen Verteidigungen an. Maaßen solle erklären, was das BfV schon 2015 über den Kontakt des Christian K. und „Revolution Chemnitz“ gewusst habe. Sowohl der Senat als auch die Generalbundesanwaltschaft (GBA) sehen die Notwendigkeit nicht, da der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes Gordian Meyer-Plath schon umfänglich ausgesagt hat und auch das Wirken einer Vertrauensperson bzw. eines Agent Provocateur ausgeschlossen habe. Der Antrag wird damit bekräftigt, dass die Verfassungsschutzbehörden nach der Selbstenttarnung des Kerntrios des NSU erklärt haben, der Öffentlichkeit gegenüber transparenter agieren zu wollen.
Zum Ende lässt der Angeklagte Sven We. Ergänzungen zu seinen persönlichen Verhältnissen verlesen. Er gibt an geläutert worden zu sein und sich von der rechten Szene lösen zu wollen. Er hoffe bald entlassen zu werden und will mit seiner Partnerin und den Kindern ein gemeinsames Leben führen. Weiter gibt er an, dass er nach seiner Haft den Führerschein machen will, um ein Arbeitsangebot der Spedition Emons anzunehmen.
Der Tag endet mit den Ankündigungen, dass am 28. Februar die psychologische Gutachterin des Sven We. aussagen soll und die Generalbundesanwaltschaft voraussichtlich am 3. März 2020 ihr Plädoyer halten wird.