Volles Programm und verhältnismäßig volles Haus am heutigen Prozesstag: Zwei Zeugen berichten über den Angeklagten Maximilian V. und dessen Tätigkeit im Gastronomiebereich. Es werden mehrere Chat- und Sprachnachrichten in Augenschein genommen. Mehrere Angeklagte äußern sich zur Person. Ein Gefängnispyschologe berichtet über Tom Wo. und zum Schluss sagt Gordian Meyer-Plath aus. Das ist wenig erkenntnisreich, denn über die Angeklagten und ihre Bestrebungen lagen dem LfV Sachsen nur archivierte Polizeierkenntnisse vor.
Der 26. Verhandlungstag ist erstmals wieder gut besucht. Der Grund liegt in der angekündigten Aussage des sächsische Verfassungsschutzchefs Gordian Meyer-Plath. Zunächst stehen aber andere Zeugen auf dem Programm.
Als erster Zeuge wird Roland H. vernommen. Er ist Wirt der Stammkneipe von Maximilian V. Und berichtet, dass Maximilian V. regelmäßiger Gast gewesen sei. Ob Maximilian V. auch am 14. September 2018 zu Gast gewesen sei, daran könne er sich nicht erinnern, so der Zeuge auf Nachfrage. Er habe Maximilian V. schon besoffen erlebt, er sei aber dennoch ansprechbar gewesen und habe sich nicht „ins Delirium“ abgeschossen. Ansonsten kann der Zeuge nichts relevantes beitragen.
Als nächstes nimmt Thomas R. vor dem Senat Platz. Er ist Betriebsleiter zweier Gastronomien in Chemnitz und der ehemalige Vorgesetzte von Maximilian V. Er gibt an, dass der Beschuldigte am 14. September 2018 nicht im Dienstplan gestanden und nicht gearbeitet habe. Für den 3. Oktober 2018, den „Tag der Revolution“, sei Maximilian V. für ein Catering eingeplant gewesen. Er habe jedoch am 30. September 2018 eine Krankschreibung eingereicht, die über den 3. Oktober 2018 hinausreichte. Nach der kurzen Befragung wird der Zeuge entlassen.
Anschließend folgt ein Beweisantrag der Verteidigung Sten E., die einen IT-Sachverständigen hören will, um zu zeigen, dass E. den Gruppenchat stummgeschalten habe. Das zeige, dass Sten E. nichts mit scharfen Waffen und deren Beschaffung zu tun haben wollte. Zum Beweisantrag gibt es mehrere Einwände: Sten E. Habe auf Anweisung von Christian K. diese Einstellung letztlich wieder rückgängig gemacht, da sonst der Chat für alle Teilnehmer stummgeschalten geblieben wäre. Richter Schlüter-Staats ergänzt, dass „Stummschalten kein Ausstieg“ sei.
Es folgt die Verlesung eines Chatverlaufes zwischen dem Beschuldigten Sven We. und einem „Rick“. In diesem bietet der Angeklagte Sven We. „Rick“ Schwibbögen an, die ein Freund gefertigt haben soll. Einer der Schwibbögen enthält ein Hakenkreuz, der andere ein Hakenkreuz und das Torhaus des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Außerdem werden Sprachnachrichten zwischen We. und einem „Weichel“ abgespielt. In diesem äußert sich Sven We. gewaltbereit: Er wolle gegen „die Willkür, gegen Links, gegen die Politik und vor allem gegen den Abschaum“ vorgehen. Zur Begründung verweist er u.a. auf das so genannte Widerstandsrecht aus Artikel 20 Grundgesetz.
Anschließend wird der WhatsApp-Chatverlauf zwischen den Angeklagten Marcel Wa. und Christian K. verlesen. Dem ist zu entnehmen, dass sich beide, sowie der Mitangeklagten Tom Wo., an Demonstrationen von Pro Chemnitz und AfD am 1. September 2018 in Chemnitz beteiligt haben. Im Verlauf der AfD-Demonstration kam es immer wieder zu Angriffen auf Nichtdeutsche und Pressevertreter*innen. Auf Fotos sind die Angeklagten teils rennend zu erkennen.
Weiter ergibt sich aus Sprachnachrichten, dass sich Christian K. am 3. September 2018 auf der Veranstaltung von „Wir sind mehr“ bewegte, um Fotos und Videos anzufertigen. Offenbar beabsichtigte Christian K. etwas mit den „stabilen Jungs“ zu machen. Davon rückt Christian K. später ab, da es aufgrund des Zahlenverhältnisses „noch zu heiß“ sei.
Auf Antrag der Verteidigung des Tom Wo. wird der Gefängnispsychologe des Tom Wo., Johannes D., vernommen. Dieser wurde vom Angeklagten von seiner Schweigepflicht entbunden. Der Psychologe berichtet, dass Tom Wo. seine Beteiligung an „Sturm 34“ „eher als Jugendsünde“ einschätze. Gleiches gelte für ein SS-Tattoo auf seiner Hand, aber auch diverse Hakenkreuze, die in der aktuellen Wohnung von Tom Wo. angebracht sind. „Jugendsünden“. Der Psychologe gibt an, dass Wo. „kein Linker“ sei, aber auch nie gesagt habe, dass er Nazi ist. Johannes D. sagt: „Ich werte nicht, es ist ja auch alles schon lange her.“ Weiter gibt er an, dass Tom Wo. in der JVA „auch mit Ausländern spreche“. Zu den Haftbedingungen erklärt der Zeuge, dass Tom Wo. nach zwei Tagen in die Gemeinschaftshaft verlegt wurde und seit geraumer Zeit als „Hilfsmaler“ tätig ist. Auch darf er unter Begleitung am Sport teilnehmen: „Beim Fußball ist er meist dabei.“ Der Versuch der Verteidigung, die Haftbedingungen des Wo. zu skandalisieren, läuft ins Leere.
Im nächsten Verhandlungsabschnitt machen die Angeklagten Sten E., Maximilian V. und Tom Wo. Angaben zu ihrer Biografie. Zu einer Verurteilung wegen häußlicher Gewalt gibt Sten E. an, seine damalige Lebensgefährtin „nicht geschlagen, nur angefasst“ zu haben.
Es folgt die Inaugenscheinnahme der Lichtbildmappe zur Hausdurchsuchung bei Marcel Wa. Zu sehen sind neben Aufklebern, Postern und Kleidungsstücken, die das rechte Weltbild des Wa. belegen, schlagkraftverstärkende Handschuhe, 15 Kapseln mit „weißem Pulver“ und drei Baseballschläger. Auf einem dieser und einer gefundenen Federmappe ist zu lesen: „Revolution Chemnitz“. Der Angeklagte Wa. gibt an, dass diese nicht ihm, sondern dem Mitangeklagten Christian K. gehören, der geraume Zeit bei Wa. und seiner Lebensgefährtin gewohnt habe.
Am Ende des Verhandlungstages folgt die Aussage des Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen (LfV) Gordian Meyer-Plath. Er erklärt, er habe nur eine beschränkte Aussagegenehmigung. Er erklärt, dass der Angeklagte Christian K. zwei mal Kontakt zum LfV Sachsen hatte. 2005 sei Christian K. in das Aussteigerprogramm des LfV aufgenommen worden. Bekannte hatten sich damals an das LfV gewendet. Das wiederum habe Christian K. einen Umzug nach Hessen finanziert. Christian K. sei aber kurze Zeit später wieder nach Sachsen zurück und habe sich wieder der rechten Szene angeschlossen. 2015 habe Christian K. versucht sich dem LfV Sachsen als V-Mann anzudienen. Das habe aber aufgrund der vorherigen Erfahrungen abgelehnt. Außerdem habe Christian K. keine relevanten Informationen bieten können. Er habe nur veraltete Informationen zu den „Nationalen Sozialisten Chemnitz, HooNaRa und Sturm 34“ gehabt, so Meyer-Plath.
Weiter wird gefragt, ob das LfV aufgrund der Biografien und Vorstrafen die heute angeklagte Gruppe oder einzelne Mitglieder davon unter Beobachtung hatte? Meyer-Plath sagt, dass von Einzelnen lediglich bekannt war, was sie früher etwa im Zusammenhang mit „Sturm 34“ getan hätten. Ansonsten hätten dem LfV nur Polizeierkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren vorgelegen. Über den Chat selbst sei man am 11. September 2018 vom Landeskriminalamt informiert worden. Schriftlich wurde dies dann am 28. September 2018 kommuniziert. Gefragt, wie er sich vorbereitet habe, antwortet Meyer-Plath er habe sich von seinen Mitarbeitern briefen lassen. Daraufhin fragt die Nebeklage: „Sie wissen also nicht, ob die Angaben richtig und komplett sind?“ Meyer-Plath: „Nein.“
Die Verteidigung des Martin H. will wissen, ob die nach Bekanntwerden des NSU rechte Straftaten härter verfolgt würden, es eine „Zäsur“ gab? Meyer-Plath verneint die. Es habe lediglich „eine Weiterentwicklung der Methodik stattgefunden“. Von mehreren Seiten der Verteidigung wird versucht herauszufinden, ob es einen „Agent Provocateur“ gegeben haben könnte und ob Christian K. dieser gewesen sein könnte. Meyer-Plath verneint aber alle Fragen nach einer möglichen V-Person oder einer anderweitigen Einflussnahme des LfV.
Zum Schluss der Befragung stellt die Nebenklage-Vertreterin fest: „ Am Ende ist alles so banal. Auch wenn es erstaunlich ist, dass der VS nichts über die Angeklagten weiß. Vor allem mit Blick auf meine Mandanten.“