25. Januar 2020: 25. Verhandlungstag

Ein bekanntes Gesicht von den „Pro Chemnitz“-Demonstrationen ist heute Zeuge: Arthur Ö. wird als vermeintlicher Chefordner zu Sven We. und dessen Ordnerfunktion befragt. Eine Polizeizeugin verweist einen vermeintlichen Bus mit Hooligans aus Rostock ins Reich der Legenden. Ein Beamter berichtet über den Chat „Wehrsport Sachsen“, ein Sachverständiger über die technischen Details bei der Auswertung der Telegram-Chats. Eine Verteidigung stellt einen weiteren Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter.

Die Verhandlung beginnt mit der Aussage des Zeugen Arthur Ö. Er soll zur Person und Ordnerrolle von Sven We. im Rahmen von „Pro Chemnitz“-Demonstrationen aussagen. Arthur Ö. ist als „Chefordner“ der rassistischen Demonstrationen von „Pro Chemnitz“ im August und September 2018 in Chemnitz bekannt geworden. Ebenso war er im Januar 2019 Ordner beim Europaparteitag der AfD in Riesa und kandidierte im März 2019 für den Listenplatz 22 der AfD für die sächsische Landtagswahl 2019. Er ist dem Umfeld der „Heimattreue Niederdorf“ zuzurechnen. Diesen wird eine Scharnierfunktion zwischen „Pegida“ und (Neo-)Naziumfeld zugeschrieben. Er trat als Ordner bei den extrem rechten „Wir für Deutschland“-Demonstrationen in Berlin und am 1. Mai 2018 als Teilnehmer einer Demonstration der (Neo-)Nazipartei „Der III. Weg“ auf.

Vor Gericht ziert er sich anfangs gegen den Titel des „Chefordners“, gefällt sich dann aber in dieser Rolle. Ausschweifend erklärt er die Ordner*innenrolle bei Demonstrationen und beschwört immer wieder, dass es sein Aufgabe gewesen sei für Ruhe und Ordnung bei den rechten Aufmärschen in Chemnitz zu sorgen. Er gibt an, dass Sven We. auf ihn zugekommen sei und gefragt habe, ob er Ordner sein könne, „da er mit seinen Freunden selbst Demonstrationen durchführen will. Arthur Ö. verneint die Frage, ob Sven We. von Christian K. empfohlen worden sei. Arthur Ö. erklärt, dass er Christian K. möglicherweise mal auf den Demonstrationen gesehen habe. Arthur Ö. verneint die Frage, ob er am 3. Oktober 2018 an der „Wir für Deutschland“-Demonstration in Berlin teilgenommen habe. Er behauptet, dass er auf dem Weg in den Urlaub lediglich an Berlin vorbeigefahren sei. Er sagt, dass ihm das Klientel „nicht entspreche“.

Arthur Ö. erklärt auf Frage des Senats an, dass er versucht habe Sven We. nach dem 14. September 2018 anzurufen. Er habe ihn aber nicht erreicht. Sven We. sei nach dem „Probelauf“ auf der Schlossteichinsel das Telefon von der Polizei abgenommen. Sven We. habe Ö. später zurückgerufen. Ö. erklärt er habeSven We. „einen Einlauf verpasst“. Sven We. habe damals gesagt, dass er nur zufällig „da“ reingeraten wäre. Die Frage, ob Ö. Sven We. jemals alkoholisiert erlebt habe, verneint dieser. Psychische Probleme habe er bei Sven We. keine wahrgenommen. Auf die Frage, ob er We. Terrorismus zutrauen würde, antwortet Ö., dass „er sich so keinen Terroristen vorstelle.“ Rechtsanwalt Endler kommentiert stereotyp: „Langer Bart.“ Als Ö. zu seiner Nähe zum „III. Weg“ befragt wird, interveniert Richter Schlüter-Staats. „So viele Dinge sind interessant, aber die fragen wir nicht.“

Als nächstes wird Polizeihauptmeisterin F. vernommen. Sie soll zu einer Sprachnachricht des Christian K. Stellung nehmen. Am 14. September 2018 sendete K. dem Mitbeschuldigten Marcel Wa. die Nachricht, dass die angekündigte Verstärkung, ein Reisebus mit Hooligans aus Rostock,  nicht in Chemnitz kommen wird, da der Bus auf der Autobahn 4 an der Raststätte „Dresdner Tor“, festgehalten und kontrolliert werde. Polizeihauptmeisterin F. berichtet, dass es an besagtem Tag sowohl am Übergang der Autobahn 13 zur A 4, als auch am Übergang der A 17 zur A 4 „keinerlei registrierte Maßnahmen der Verkehrspolizeiinspektion” gegeben habe.

Nächster Zeuge ist der Kriminalhauptmeister R., derüber Zeugenvideos berichten soll. Mehrere Verteidiger:innen monieren, dass die Akten vorher nicht zur Verfügung gestanden hätten. Wieder ein mal beginnt eine hitzige Diskussion über die in Augen der Verteidigung „unverschämte Verhandlungsführung“ des Senates. Man sei doch nicht nur Statisten. Es folgt ein Befangenheitsantrag. Der Senat erklärt man werde über den Befangenheitsantrag bis zum übernächsten Verhandlungstag entscheiden.

Danach folgt der Polizeiobermeister Patrick S. im Zeugenstand. Er wertete den WhatsApp-Gruppenchat „WSS“, Wehrsport Sachsen, aus. Bis zum 26. August 2018 habe dieser lediglich zum „socializen“ gedient, so der Beamte. Danach habe der Beschuldigte Martin H. versucht diesen zu einer „politischen Gruppe“ zu wandeln.Im Chat versammelt sei die „Bezugsgruppe des Martin H.“ gewesen, so der Ermittler. So habe Martin H. am Tag vor dem „Probelauf“ auf der Schlossteichinsel geschrieben: „Wer Handschuhe und alles schlagende hat, bitte mal bei mir melden!“ Martin H. habe hervor sich mit Anweisungen an die „Bezugsgruppe“ hervorgetan. Auf die Frage, ob sich noch andere relevante Adressen im Telefonbuch von Martin H. befanden hätten, sagt der Ermittler, dass er sich nur auf den „WSS“-Chat konzentriert habe.

Als letztes erscheint der Regierungsamtsrat Wolf R. vor Gericht. Er ist als Sachverständiger für Mobilfunkforensik geladen. Er erklärt, wie versucht wurde die Telegramchats auszuwerten und schildert den technischen Verlauf. Der Zeuge bestätigt auf Frage der Verteidigung Martin H., dass die Telefone nach der Beschlagnahme mit dem Internet verbunden gewesen seien.Die Verteidigung von Martin H. will positiv hervorheben, dass der Angeklagte den Telegramchat frühzeitig gelöscht habe. Der Sachverständige verweist aber nach Nachfrage der Nebenklage auf eine Selbstzerstörungsfunktion in Telegram. Die werde automatisch aktiviert, wenn das Telefon nach einer gewissen Zeit wieder eingeschaltet wird.

Im Anschluss beantragt die Verteidigung Tom Wo. die Schreiben in den Prozess einzubeziehen, in denen sich Christian K. dem sächsischen Verfassungsschutz angeboten hat. Auch will die Verteidigung Zeugen laden lassen, die anfangs von Christan K. in den Chat „Revolution Chemnitz“ eingeladen wurden, dies aber mit dem Hinweis „Wichtigtuerei“ abgelehnt hätten.

Zum Ende des Prozesstages weist der Senat Tom Wo. darauf hin, dass auch die Zusage zur Mithilfe strafbar sei.

Zum nächsten Prozesstag ist der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen Gordian Meyer-Plath geladen.