21. November 2019: 10. Prozesstag

Zunächst steht heute eine Entscheidung über die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten Sven We. an. Danach werden diverse Asservate in Augenschein genommen, darunter Sprachnachrichten vom Telefon des Angeklagten Marcel Wa., sowie die Bilder von dessen Hausdurchsuchung. Sie zeigen zahlreiche neonazistische Devotionalien. Abschließend wird noch ein Zeuge gehört, der anrückende Gruppe beim Überfall auf der Schloßteichinsel beobachtet hat.

Zu Beginn des zehnten Verhandlungstages weist der Senat darauf hin, dass der auf der gläsernenen Trennscheibe angebrachte Sichtschutz deswegen angebracht worden sei, da vom Pressebereich sonst auf die Laptops der Verteidiger*innen geblickt werden könne. Es folgt der Beschluss zum Antrag hinsichtlich der Schuldunfähigkeit des Beschuldigten Sven We. Der Senat entscheidet, dass Sven We. verhandlungsfähig ist und täglich 2 mal 3 Stunden dem Prozess folgen könne. Es folgt eine Erklärung der Verteidigung Marcel Wa. bezüglich der Presseberichterstattung. Bezugnehmend auf einen Artikel im Magazin Focus, welcher über die mit „Revolution Chemnitz“ unterschriebenen Drohung gegen gegen eine Anwältin in München berichtete, gibt die Verteidigung des Wa. zu Protokoll: „Der Beschuldigte Marcel Wa. distanziert sich von dem Drohbrief. Er habe ihn nicht verfasst und kenne auch die Verfasser nicht.“

Anschließend werden die vom Telefon des Marcel Wa. extrahierten Sprachnachrichten abgespielt. Diese Audiodateien handeln von der Planung des „Probelaufs“ auf der Chemnitzer Schloßteichinsel und dem „Kauf gewisser Gegenstände“ für den 3. Oktober 2018. Es wird gefragt, wer teilnehmen könne und: „Wie weit wollen wir gehen?“ Für den „Probelauf“ wird „Besuch aus anderen Städten“ angekündigt. Es wird erwähnt, dass Rostock „mit einer Busladung“ nach Chemnitz fahre. Laut Sprachnachricht wurde der Bus an der Autobahnraststätte von der Polizei festgesetzt. Einer der Beschuldigten gibt kund: „Bengalische Feuer im Fahrerraum sind legal“. Im Falle eines Unfalls können sie „als Signalfackeln dienen“, so die Einschätzung, die auch bei einigen Verteidiger*innen für Erheiterung sorgt. Die Verteidigung des Sven We. Kritisiert, dass das sächsisch der Audiodateien im Protokoll ins Deutsche übersetzt wurde.

Danach werden die Lichtbilder der Hausdurchsuchung des Beschuldigten Marcel Wa. in Augenschein genommen. Im Hausflur des Zweifamilienhauses, welches sich Wa. und seine Partnerin mit deren Eltern teilen, dem Partyraum und den Räumen des Wa. fanden sich sehr viele (Neo-)Nazidevotionalien. Darunter Kleidungsstücke, Fahnen, Aufkleber, Schnitzereien mit Hakenkreuzen, Sig-Runen oder menschenverachtenden Slogans.

Nach der Pause wird ein Zeuge des „Probelaufs“ vernommen. Der gibt an, dass er am 14. September 2018 an der Geburtstagsfeier eines Freundes auf der Schloßteichinsel teilgenommen habe. Er habe diese verlassen, bevor es zu den Übergriffen kam. Beim Verlassen der Insel habe der Zeuge und seine Begleitung „zwei Gruppen, von jeweils 10 -15 schwarz gekleideter und gut gebauter, also sportlicher, Männer“ gesehen, die sich Richtung Insel bewegten. Das sei ihm „komisch“ vorgekommen. Außerdem habe er gewußt, dass in Chemnitz eine Demonstration stattgefunden habe. Deswegen habe der Zeuge einen Freund auf der Schloßteichinsel angerufen, um vor der Gruppe zu warnen. Er habe außerdem durch die Bäume hindurch sehen können, wie sich die schwarz gekleidete Gruppe seinen Freunden genähert habe. Kurz darauf habe er die Polizei verständigt, welche auch zeitnah eingetroffen sei. Nach der Befragung endet der zehnte Prozesstag.