29. Oktober 2019: 5. Prozesstag

Zuerst technische Probleme, dann die Vernehmung zweier Kommissare, deren Aussagen für Fragen sorgen. Zwischendrin ein Zeuge, der von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch macht.

Am Morgen des 29. Oktober 2019 begann wegen technischer Probleme auch der fünfte Prozesstag verspätet. Gleich zu Beginn weißt die Verteidigung Sven We. daraufhin, dass dieser eventuell diverse Pausen machen müsse. Um 09:50 beginnt dann der Prozesstag mit dem ersten Zeugen, Kriminalhauptkommisar (KHK) R. Noch bevor die Vernehmung des KHK R. beginnen kann, weißt die Verteidigung Martin H. darauf hin, dass die Bildschirme bei Gericht immer noch nicht funktionieren. Diese seien aber sehr wichtig, da so „die Mimik des Zeugen nicht nachzuvollziehen sei.“ Es wird beantragt das Verhör des KHK R. auszusetzen. Die Verteidigung Sten E. und die Nebenklage schließen sich dem an. Es folgt eine 15-minütige Pause, um die technischen Probleme zu beheben. Der Vorsitzende Richter Schlüter-Staats gibt schon vor der Pause bekannt, den Antrag nicht stattzugeben, da „die Mimik bei diesem Zeugen, einem Polizist, nicht wichtig“ sei. Daraufhin äußert sich die Verteidigung Christian K. besorgt, „dass ein Polizeibeamter als möglich überlegener Zeuge gewertet wird.“ Mit Verweis auf das Vermummungsverbot vor Gericht, zeigt die Nebenanklage auf, dass die Mimik der Zeug*innen „wohl doch wichtig“ sei. Es folgt die Pause.

Da der Beschuldigte Maximilian V. sich nicht vor Gericht äußern will, wird heute der Kriminalhauptkommissar (KHK) R. vernommen. Dieser hatte am 14. November 2018 zusammen mit dem KHK S. den Beschuldigten Maximilian V. vernommen. Dafür wurde dieser am morgen von der Justizvollzugsanstalt Nürnberg zur Generalbundesanwaltschaft Karlsruhe verbracht. Während der Vernehmung stand Pflichtverteidiger Rehm dem Beschuldigten zur Seite. KHK R. gibt an, dass der Angeklagte V. bereits während der Fahrt über seine Rechte und Pflichten als Beschuldigter aufgeklärt worden sei. Der gelernte Koch und Kellner Maximilian V. habe ausgesagt, vom Beschuldigten Christian K. als „Führungskraft“ in den Messengerchat eingeladen worden zu sein. V. habe allerdings zu Protokol gegbenl: „Ich bin keine Führungskraft.“ Den Mitangeklagten Christian K. kenne er von früher, aus der Haft. Auf die als kriminelle Vereinigung verbotene Kameradschaft „Sturm 34“ und die Mitbeschuldigten Hardy Christopher W. und Tom W. angesprochen, habe er angegeben diese zwar zu kennen, aber keine weiteren Angaben machen zu können. Allerdings musste er sich 2010 gemeinsam mit Christopher Wei. und Tom Wo. wegen Landfriedensbruchs verantworten. Später habe er zu Protokoll gegeben, dass er nicht dem „Sturm 34“ angehörte. Er habe aber dennoch ein halbes Dutzend Namen, teilweise der Führungsrige benannt.

Auf die Chatgruppe „Revolution Chemnitz“ und deren Ziele angesprochen habe Maximilian V. zu Protokoll gegeben, dass er die Einladung „nur überflogen“ und „kein gutes Gefühl dabei“ gehabt hätte. Für den sogenannten „Probelauf“ auf der Schlossteichinsel habe der Beschuldigte angegeben „arbeiten zu müssen“, was, so die Überprüfung, aber nicht stimme. Ihm war sei „zu heiß“ gewesen, „weil es in den Planungen um Gewalttaten ging.“ [Einschätzung von KHK Rose oder Wiedergabe?] Auch am 3. Oktober 2018 habe er gegenüber der Gruppe behauptet, er müsse arbeiten, um so nicht an den geplanten Aktionen teilnehmen zu müssen. Für diesen Tag habe die Gruppe auch Waffen beschaffen wollen, u.a. von Heckler & Koch (Typ SFP 9 -9mm und Typ MP 5) und Carl Walther GmbH (9mm-Pistole). Ziel sei gewesen, „Ausschreitungen, wie beim G20 in Hamburg“ zu provozieren. Geplant sei „so etwas wie ein Bürgerkrieg, einen Aufstand“ auszulösen. Als Folge sollte sich die Polizei auf die Seite der Beschuldigten und „gegen die Linken“ stellen. So wolle man, dass „die Gesetze· außer Kraft gesetzt werden.“  KHK R. erklärt, dass er es „merkwürdig“ gefunden habe, dass sich die Beschuldigten „fast ausschließlich Waffen besorgen wollten, die die sächsische Polizei verwendet“ und stellt einen möglichen „Fachbezug“ in den Raum. Auf die Frage des KHK R., wo sich der Beschuldigte V. politisch verorte, habe dieser gesagt: „Ich würde mich in der Nähe der AfD sehen.“

Die Vernehmung sei dann auf Anweisung der JVA Karlsruhe gegen 16 Uhr 30 beendet worden. Die Vernehmungsbeamten hätten mit RA Rehm vereinbart, dass das Protokoll dem Beschuldigten am Folgetag, vor der Rückfahrt nach Nürnberg, zum gegenlesen und unterzeichnen vorgelegt wird. Am Folgetag habe der Beschuldigte V. die Unterschrift unter dem Vernehmungsprotokoll verweigert und ein Telefonat mit seinem Rechtsbeistand, Rechtsanwalt Dann gewünscht. Die Beamten seien diesem Wunsch nicht nachgekommen. Sie haben stattdessen wiederum Pflichtverteidiger Rehm angerufen. Nach einem knapp 45-minütigem Gespräch unterzeichnet Maximilian V. in der JVA Nürnberg dann doch das Protokoll, obwohl ihm RA Dann die Verweigerung der Unterschrift nahe gelegt hat. RA Rehm habe dem Beschuldigten eine Aussetzung der Untersuchungshaft in Aussicht gestellt, wenn er sich einlässt. Im späteren Verlauf des heutigen Prozesstages wird RA Spraffke dies als „Täuschung“ skandalisieren, da „die Aussetzung wegen bestehender Fluchtgefahr unwahrscheinlich gewesen“ sei. Die Verteidigung Martin H. nennt dies vor Gericht „eine Schande“ und fragt warum RA Rehm gegen den Wunsch Beschuldigten angerufen wird. KHK R. erwidert, dass „Zweifel“ am Mandat des RA Dann bestanden hätten. Diese Aussage löst wiederum bei der Verteidigung Empörung aus. Sie moniert zudem, dass keine Mitschriften der Gespräche während der Fahrten existieren würden. Daraufhin sagt KHK R., dass es keine Mitschriften gäbe, da die Gespräche „persönlich“ und nicht „prozessrelevant“ gewesen seien. Die Nachfrage der Verteidigung, ob solche Gespräche nicht dennoch prozessrelevant sein könnten, beantwortet KHK R. mit „ja“. Der Zeuge wird entlassen und auf Wunsch der Verteidigung Sven W. geht es in die Pause.

Anschließend wird Oliver H. gehört. Er ist der Bruder des Angeklagten Martin H. und wird im Kontext des „Probelaufs“ auf der Schlossteichinsel ebenfalls als Beschuldigter geführt. H. macht auf Anraten seines Anwalts von seinem Schweigerecht gebrauch.

Der nächste Zeuge ist der Vernehmungsbeamte Eric S., der angibt lediglich die Zuarbeiten für Oberstaatsanwalt Dr. Hauschild und Kriminalhauptkommissar R. getätigt zu haben. Auch er wird gefragt, weswegen es keine Protokolle der Gespräche währende der Fahrten zwischen Nürnberg und Karlsruhe gäbe. Mit Maximilian V. habe man sich „nur über alltägliches unterhalten, Smalltalk betrieben“. Der Zeuge wird von RA Held auf seine Wahrheitspflicht hingewiesen und gefragt, weswegen Fragen zur Biografie nicht „verfahrensrelevant“ seien und wer eigentlich bestimmte, was verfahrensrelevant ist. Der Zeuge antwortet: „Ich“. Auf die Frage, wann der Beschuldigte über seine Rechte und Pflichten aufgeklärt worden sei, antwortete auch Kommissar S. mit „während der Fahrt.“ Zum Schluss wird der Zeuge noch gefragt, weswegen, entgegen dem Wunsch des Beschuldigten, nicht der gewünschte RA Dann angerufen worden sei, sondern RA Rehm. V. habe in Pflichtverteidiger Rehm einen guten Verteidiger gehabt, so die Antwort des Kriminalbeamten, die bei der Verteidigung für Gelächter sorgt. Die Verteidigung Martin H. verweist wieder auf die Wahrheitspflicht des Zeugen. KHK R. habe diesen Vorgang mit „Zeitdruck“ erklärt. Der Vorsitzende widerspricht: Dieser Vorhalt stimme nicht. Nach kurzer Diskussion wird das Missverständnis aufgeklärt. 

Nachdem der Zeuge entlassen ist, folgt die Teilauswertung des Telefons des Beschuldigten Marcel Wa. Auf dem Mobiltelefon hätten sich eine Vielzahl indizierter Bands und Lieder befunden. Im Anschluss werden Lichtbilder des Tatortes auf der Schlossteichinsel und der aufgegriffenen Täter des „Probelaufs“ gezeigt.

Nach einer weiteren kurzen Pause soll ein weitere Zeuge aufgerufen werden, doch die Vertretung des Angeklagten Sven W. stellt einen Antrag zur Aussetzung des Prozesses, da ihr Mandant „nicht mehr aufnahmefähig sei.“ Daraufhin wird der Prozess für heute unterbrochen.