Am heutigen Tag werden drei weitere Betroffene des „Probelaufs“ auf der Chemnitzer Schlossteichinsel angehört. Sie berichten eindrücklich von der bedrohlichen Situation, als sie von ca. 20 teilweise bewaffneten Personen eingekreist wurden. Zwei Zeugen bestätigen, dass eine Person aus der Angreifergruppe ein Messer getragen habe. Einer der Betroffenen dachte in dem Moment: „Heute werde ich sterben.“ Er berichtet zudem von Schüssen aus einer Gaspistole oder ähnlichem. Er ist bisher allerdings der Einzige, der diese Pistole wahrgenommen hat. Ein dritter Zeuge erkannte unter den Angreifern einen Arbeitskollegen wieder.
Die Verhandlung beginnt mit der Anhörung von W. K., der am 14. September 2018 auf der Schloßteichinsel zugegen war. Bevor die Vernehmung beginnen kann, beantragt die Verteidigung Christian K. die Dolmetscherin nicht zuzulassen, da diese in ihren Augen nicht qualifiziert sei. Die Verteidigung Sven We. schließt sich dem Antrag an. Nach ein wenig Hin und Her über die Qualifikation der Dolmetscherin, welche in Pakistan als Ärztin tätig war und nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen die deutsche Sprache auf C1-Level spricht, gibt der Zeuge an, dass er keine Übersetzung benötige.
Der Zeuge W. K. schildert kurz den Abend des 14. Septembers 2018. Er und seine Freund*innen hätten auf der Schlossteichinsel gegrillt, als eine circa 20-köpfige Gruppe „Nazis“ sie bedroht habe. Der Zeuge gibt an, dass diese „sich boxen wollten“ und fast alle Flaschen in der Hand gehalten hätten, jedoch habe „nur einer mit einem Wurf getroffen“. Ebenso gibt der Zeuge an, dass er ein Messer bei einem der Angreifer gesehen habe. Dies habe er „an einer Bauchtasche getragen“. Auf die Frage, ob der Zeuge eine Schusswaffe gesehen habe, antwortet er mit „nein“. Auch auf Vorhalt seiner früheren Aussage kann sich K. nicht an eine Schusswaffe erinnern, sagt aber, dass einer seiner Freund gesagt habe, dass er Schüsse gehört habe und sie sich hinter Bäumen verstecken sollen. Die Verteidigung Sten E. fragt, ob die Flasche geworfen oder zerschlagen wurde? K. erklärt, dass diese geworfen worden sei. Die Verteidigung des Beschuldigten Sven We. versucht mit redundanten und teils unlogischen Fragen nach dem Messer mehrfach den Zeugen vorzführen, dieser lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen. So reagiert er am Ende auf die Frage des RA Röthig: „Hast du überhaupt ein Messer gesehen?“ mit den Worten: „Wir reden seit zehn Minuten über das Messer, das ich gesehen habe und jetzt diese Frage?“ Auf Vorlage des Fotos des blutverschmierten T-Shirts, welches gestern schon F. K. vorgehalten wurde und auf dem dessen DNA gefunden wurde, gibt W. K. zu Protokoll das dies sein Shirt ist. Er habe es dem verletzten F. K. gegeben, damit dieser das Shirt auf seine blutende Wunde am Kopf drücken könne.
Als nächstes wird M. A. als Zeuge und Betroffener des „Probelaufs“ vernommen. Er macht eine sehr ausführliche Aussage. So seien sie schon am Nachmittag in einem Chemnitzer Supermarkt rassistisch beleidigt worden. Er gibt auch an, dass die Angreifer ihn und seine Begleitung „umzingelt“ hätten, nachdem sie eine andere Gruppe, junger Menschen von der Schlossteichinsel vertrieben hätten. Unter den „Nazis“ habe M. A. einen Arbeitskollegen erkann. M. A. sei von ihm bedroht worden. So habe der Arbeitskollege eine Geste mit zwei Fingern von seinen Augen in Richtung des Zeugen getätigt und auch mit den „erhobenen Fäusten“ gedroht: „Als würde er sich mit mir boxen wollen.“ Die Person habe „Scheiß Ausländer“ geschrieen und andere Sätze, die M. A. aber nicht verstanden habe. Auf Arbeit würde die Person „nicht mit Ausländern sprechen“. Auf Vorlage der Lichtbildmappe erkennt er diesen als Oliver H., den Bruder des Beschuldigten Martin H., wieder. Auch Martin H. selbst, erkennt er in der Lichtbildmappe wieder. Auf die Frage, ob sich der Zeuge nach dem Angriff mit seinen Freund*innen über besagten Abend ausgetauscht haben, sagt er an, dass man sich danach lange nicht gesehen habe, da er „Angst hatte auf die Straße zu gehen“. Auf Frage des Senats nach dem Flaschenwurf und einer Pistole gibt M. A. an, dass er den Wurf gesehen habe und wahrgenommen habe, dass die Flasche seinen Freund getroffen hat. Eine Pistole aber habe er keine gesehen und auch keinen Schuss gehört. Auf Nachfrage sagt er, dass aus seiner Gruppe keine Flaschen geworfen wurden.
Der nächste Zeuge ist der Betroffene A. R. G., der gleich gleich zu Beginn seiner Aussage erklärt, dass einer der Angreifer ihm gedroht habe, indem er ein großes Messer teilweise und provokativ aus der Scheide gezogen und ihm präsentiert habe. Er dachte in dem Moment: „Heute werde ich sterben.“ Weiter erklärt er, dass er glaube, dass „sie uns umbringen wollten, wenn nicht die Polizei gekommen wäre.“ Der Zeuge sagt, dass er definitiv Schüsse gehört habe, die sich anhörten wie aus einer „Gaspistole“. Daraufhin habe er gerufen: „Das ist eine Pistole, weg hier!“ Auf Nachfrage berichtet er, dass er aus einem Bürgerkriegsland komme und wisse wie sich Schüsse anhören. Vom Senat wird er gefragt, ob er die Pistole gesehen habe? A. R. G. sagt, dass es sehr dunkel gewesen sei, er aber den Umriss einer Person gesehen habe. Daraufhin steht er auf, geht in die Hocke hält die Hände vor dem Körper, ahmt einige Schüsse nach und gibt an, dass er dies genau so wahrgenommen habe.