26. November 2019: 13. Prozesstag

Insgesamt vier Zeugen werden heute gehört. Einer berichtet über seine Verbindungen zu den Angeklagten aus dem Raum Mittweida. Ein Beamter berichtet über die Vernehmung von Marcel Wa., ein anderer über die Auswertung von Mobiltelefonen, die im Zuge der Ermittlungen zum Überfall auf der Schloßteichinsel sichergestellt wurden. Außerdem berichtet einer weiterer Jugendlicher, der die Situation auf der Schloßteichinsel selbst miterlebt hat. Die Verteidigung Sven We. will zudem ein psychologisches Gutachten zu ihrem Mandanten in den Prozess einführen.

Die Hauptverhandlung beginnt heute mit einem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter. Ein Verteidiger bemängelt, dass der Richter bei der Sichtung der Videos am gestrigen Prozesstag eine Passage als „perfide“ bezeichnet habe. Damit habe er den Beweis bewertet und es sei keine neutrale Einstellung zu dem Angeklagten mehr zu erwarten. Der Antrag  wird abgelehnt. Der Vorsitzende Richter erklärt, dass die Erstellung der Video-Szene gemeint gewesen sei und nicht das Video selbst.

Dann nimmt der Zeuge im Gerichtssaal Platz. Der Stacy P. (28 Jahre) berichtet, dass er die die Angeklagten Christopher Wei.,  Tom Wo. und Maximilian V. näher kenne, die anderen aber nicht. Christopher Wei. habe er mit ca. 18 Jahren kennengelernt, als er gerade in Mittweida seine Lehre gemacht hat. Sie seien befreundet und gemeinsam in Kneipen und Discos gegangen. Sie hätten ein gemeinsames Interesse an Motorrädern und Mopeds und hätten zusammen eine Garage zum Schrauben gemietet. Tom Wo. habe er vor ca. 13 Jahren über seine Schwester kennengelernt.  Aber erst nach der Haftstrafe von Tom Wo. hatten sie dann mehr Kontakt. Maximilian V. kenne er nur sporadisch, weil sie sich hier und da gesehen haben.

Politik habe eigentlich keine Rolle in den Freundschaften gespielt, außer manchmal bei Konzerten mit einer ‚bestimmten politischen Richtung‘. Der  Vorsitzende Richter spricht den Zeugen auf Sturm 34 an. Stacy P. erklärt, er habe von der Gruppe gehört, habe aber damals die Leute noch nicht gekannt. Auf Nachfrage bezeichnet er sie als „rechte Gruppierung“ die „Ärger in der Stadt gemacht hat“. Er habe erst im Nachhinein erfahren hat, dass Tom Wo. etwas mit Sturm 34 zu tun habe. Deren Motto sei „WWS“,  „Wir werden siegen“, gewesen.  Stacy P. sagt aus, dass Christopher Wei. ein Tattoo mit diesem Schriftzug auf seinem Unterarm noch nicht gehabt habe, als sie sich vor ca. neun Jahren kennenlernten. Christopher Wei. stehe nicht im direkten Zusammenhang zu Sturm 34. Damit widerspricht der Zeuge einer früheren Aussage bei der Polizei. Er bleibt aber dabei, als er darauf hingewiesen wird.

Er versichert, dass er damals nicht von den Polizisten eingeschüchtert oder unter Druck gesetzt worden sei. Er sei einfach aufgeregt gewesen. In der Vernehmung sei es darum gegangen, ob er etwas über Revolution Chemnitz wisse. Das sei aber nicht der Fall. Er sei nach Christopher Wei.s Verhaftung von dessen Freundin angerufen worden. Alles weitere über Revolution Chemnitz habe er letztlich aus den Medien erfahren. Dem Zeugen wird vorgehalten, dass Christopher Wei. ausgesagt habe, dass er Stacy P. nach Waffen gefragt habe. Der erklärt, er wisse davon nichts mehr. Weiterhin habe Christopher Wei. ausgesagt, dass sie gemeinsam eine Halle für Ihre Mopeds gemietet hätten und dass dort auch über Waffen gesprochen hätten und darüber mit Waffen ‚rumzuballern‘. Stacy P. bleibt trotzdem dabei, dass sie nicht über Waffen gesprochen hätten. 

Die besagte Halle befände sich auf dem Gelände einer alten Baumwollspinnerei, die bereits teilweise zum Mietshaus umgebaut worden sei. Auf dem Gelände befänden sich auch andere Firmen und direkt über der gemieteten Halle probe „Exitus 28“, eine Böhse Onkelz-Coverband. Als Anspielung auf den Ursprung des Gebäudes habe er u.a. mit Christopher Wei. die WhatsApp-Gruppe ‚Baumwollspinner‘ gegründet. Eines der Gruppenmitglieder habe in dieser Gruppe einen Zeitungslink gepostet, dass es Ermittlungen in der rechten Szene geben soll und gemeint, es sei daher ratsam „Mittweida wehrt sich“ zu löschen. Stacy P. sagt aus, dass er nicht genau wisse, ob es sich dabei um eine Facebook- oder Messenger-Gruppe gehandelt habe und ob er in dieser Gruppe gewesen und sie tatsächlich gelöscht worden sei.

Einer der Verteidiger stellt einen Antrag, dass Stacy P. über sein Recht zur Aussageverweigerung belehrt werden soll. Der Antrag wird jedoch zurückgewiesen. Dem Vorsitzenden sei nicht ersichtlich, dass der Zeuge sich wegen irgendetwas strafbar gemacht habe. Weitere Rechtsanwälte unterstützten den Antrag. Es bestehe das Risiko auch wegen Ordnungswidrigkeiten belangt zu werden. So existiere in den Akten beispielsweise ein Foto von Stacy P. und einem Bekannten, auf dem beide ein Shirt mit jeweils einem halben Hakenkreuz tragen. Der Senat weist den Antrag dennoch zurück.

Zuletzt soll der Zeuge über Köthen berichten. Da habe es eine Kundgebung gegeben, wegen des Totschlags einer Person durch einen Asylbewerber. Sie hätten da eigentlich gemeinsam hinfahren wollen, was dann aber nicht passiert sei.

Nach der ersten Zeugenbefragung stellt die Verteidigung Sven We. einen Antrag, damit ein psychologisches Gutachten zur Kenntnis genommen wird. Das Gutachten zeige, dass Sven We.s Taten mit seinen psychischen Problemen im Zusammenhang stünden. Sven We. habe einen unterdurchschnittlichen Intelligenzquotienten von 79 Punkten und Probleme mit seiner Aufmerksamkeit. Außerdem hätte seine zeitweise Abhängigkeit von Alkohol, Chrystal Meth und Nikotin zu schweren Persönlichkeitsstörungen geführt. Zur Zeit im August und September 2018 habe eine Alkoholabhängigkeit bestanden. Er zeige lt. Gutachten weithin eine verminderte Steuerungs- und Einfühlungsfähigkeit. Das Gutachten sei nur ein oberflächliches und der Angeklagte Sven We. noch nicht ausreichend diagnostiziert, heißt es abschließend.

Der nächste Zeuge Christian F. ist unentschuldigt nicht erschienen. Gegen ihn wird ein Ordnungsgeld von 100€ verhängt, ersatzweise ein Tag Ordnungshaft, außerdem muss er die Kosten, die durch sein Ausbleiben entstehen, selber tragen.

Als nächste folgt die Aussage von KHM Thomas B., der in Chemnitz arbeitet und die Vernehmung von Marcel Wa. nach dem Überfall auf der Schloßteichinsel durchgeführt hat. Er sei dabei von einem zweiten Beamten unterstützt worden. Die Befragung habe noch in der Nacht zum 15. September 2018 stattgefunden. Marcel Wa. habe ausgesagt, dass er mit Freunden bei der Demonstration gewesen sei und dann über die Schloßteichinsel zu Rewe oder Edeka laufen wollte, um Bier zu kaufen. Als Marcel Wa. sah, dass aus einer dunklen Ecke Flaschen geflogen kommen seien, habe er versucht zu gehen. Marcel Wa. habe sein Handy dabei gehabt und habe sich gewehrt, als es beschlagnahmt werden sollte. Der Beamte berichtet, dass Marcel Wa. dann aber freiwillig seine PIN mitgeteilt habe. Niemand sei unter Druck gesetzt worden, so der Beamte. Marcel Wa. habe aussagen wollen und sei kooperativ gewesen. Erst als sein Handy sichergestellt werden sollte, habe er das erste Mal nach seiner Rechtsanwältin gefragt. Sie sei dann auf ihre Nummer angerufen worden, die aus der Kontaktliste von Wa.s Handy stammte.

Der nächste Zeuge ist KHK Stefan S. vom Landeskriminalamt. Er beschäftigte sich mit der Auswertung der Handys von Tommy F. und Tom H., deren Handys im Zuge der Ermittlungen zur Schloßteichinsel sichergestellt und zur digitalen Medienstelle gegeben wurden. Dort seien die Daten gespiegelt und zur Auswertung weitergeleitet worden. Das Asservat 04, ein IPhone 8, gehört zu Tommy F. In den Anrufprotokollen sei der Zeitraum der Tat und unmittelbar davor überprüft worden und es habe sich herausgestellt, dass er Kontakt zu Maximilian V., Marcel Wa., Tom Wo. und Toni W. hatte. Unter den Bildern auf dem Telefon hat der Ermittler 19 als möglicherweise relevant eingestuft. Darunter waren acht unterschiedliche Aufrufe zu Demonstrationen im Stadtgebiet von Chemnitz. Weiterhin ein Bild von Tommy F., auf dem er ein T-Shirt trägt mit der Aufschrift „Nationaler Sozialismus – Kampf dem System“. Da diese Shirts auf Demonstrationen des III. Wegs ausgeteilt werden, gab es die Nachfrage der Anklage, ob daraufhin weiter ermittelt wurde, beispielsweise wo er es herbekam. Schaffrath verneinte dies.  Es wurden auch Bilder von Demonstrationen in Chemnitz gefunden und auch Karrikaturen mit rechtem, strafbarem und auch NS-verherrlichendem Inhalt.

Vier WhatsApp-Chats wurden als möglicherweise relevant eingeordnet. Zwei davon waren Gruppenchats, die aufgrund der Masse an Nachrichten umfangreich in einem weiteren Bericht ausgewertet wurden. Einer davon trägt den Namen: „Die, die es ernst meinen.“ Die zwei anderen waren Einzelchats. Einmal mit Maximilian V. am 13. und 14. September 2019. Der fragt wie lange Tommy F. noch arbeiten müsse, weil sie sich noch treffen müssen. Auf Nachfrage warum, antwortet Maximilian V. ausweichend, dass er das nicht über das Telefon besprechen möchte. Einen Tag später beschwert sich Maximilian V. bei Tommy F., dass er „die Leute dirigieren“ müsse und es wurde sich zu einem Treffen verabredet, welches nicht über den Chat vereinbart wurde, mit den Worten: „Wir wissen ja wann und wo.“ Der zweite relevante Chat wurde mit Toni W. geführt. Tommy F. habe gefragt: „Seid ihr schon da?“ Toni W. habe gewantwortet: „Schloßteich“. Und Tommy F. erneut: „Alles klar. Ich steh am Kopf.“

Das zweite Handy ist das Asservat 03, ein IPhone 7, welches durch die gespeicherten Benutzerkonten Tom H. zugeordnet worden sei. Es habe sich herausgestellt, dass dieses Handy keine relevanten Informationen für dieses Verfahren enthält. Dennoch wurden zwölf der gefundenen Bilder als eventuell relevant markiert. Dabei handelt es sich um ein Symbol des III.Wegs und ein Logo der ‚Division Sachsen‘. Weiterhin wurden Bilder direkt nach der Feststellung der Gruppe durch die Polizei am Schloßteich aufgenommen.

Den Abschluss des Prozesstages bildet die Aussage eines Zeugen zum Schloßteichinsel-Vorfall. Der Azubi berichtet, dass er sich am 14. September 2018 mit einer Freundin getroffen habe, um gegen halb 5 zum Schloßteich zu gehen. Dort hätten sie gemeinsam mit weiteren Freunden den Geburtstag einer Freundin feiern wollen. Im Laufe des Nachmittags seien immer mehr Menschen aus diesem Freundeskreis dazugekommen. Ein Kumpel von ihm sei dann schon eher gegangen, um seine Freundin nach Hause zu bringen. Der Kumpel habe ihn dann angerufen und gesagt, dass ihm eine Personengruppe schwarzgekleideter Menschen entgegen gekommen sei. Sie sei in Richtung Schloßteich unterwegs gewesen und sei dem Kumpel bedrohlich vorgekommen. Desewegen habe er seine Freunde vorwarnen wollen. Der Zeuge erklärt weiter, dass etwa zu dieser Zeit waren bereits zwei bis drei schwarzgekleidete Personen bei der Feier gewesen seien. Sie hätten gefragt, wem der Alkohol gehöre und, ob sie denn schon 18 Jahre alt seien. Sie hätten auch ihre Ausweise vorzeigen sollen. Er habe von Weitem gesehen, dass einige etwas gezeigt haben, was wahrscheinlich deren Ausweise waren. Mindestens einer dieser ‚Kontrolleure‘ habe ein schwarzes Shirt mit der weißen Aufschrift ‚Angriff‘ getragen. Als die Einzelpersonen verschwunden sind, habe er gesehen, dass die Gruppe schwarzgekleideter Personen in ihre Richtung unterwegs war. Die Gruppe sei dann bedrohlich schneller geworden, was ihn dazu veranlasste wegzulaufen. Gemeinsam mit einzelnen Personen aus der Gruppe, die ebenfalls so schnell reagierten, sei er in Richtung Schloßteichstraße gelaufen. Da er einer der ersten war, die weggelaufen sind, hat er nicht gesehen, was hinter ihm geschah. Er konnte keine gerufenen Dinge verstehen, oder einordnen ob es einen ‚Anführer‘ gab.